Entschleunigung

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oder Deeskalation (auch so ein schönes Wort), nämlich eine etwas geruhsamere Herangehensweise habe ich mir vorgenommen. Ab sofort will ich die Taktrate von Bilduploads in meinen Photoblogs den Realitäten annähern, also nicht mehr jeden Tag ein neues Bild uppen, sondern nur noch dann, wenn es welche gibt, wenn sie passen und wenn sie richtig gut sind.

Und wenn ich auch Lust dazu habe.

Gar zu oft ertappt man sich doch bei Verlegenheits-Uploads oder die Eitelkeit flüstet mir ein: Jung, du hast doch 1 Auftrag. Und dann kommen die Griffe in die Mottenkiste, bloß um in der Taktrate zu bleiben, Motto: die Konkurrenz schläft nicht.
Die Frage ist nur: wer ist eigentlich die Konkurrenz und worum geht der Wettbewerb?

Gestern plauderte ich mailenderweise mit einer bekannten Photobloggerin über die jüngsten Entwicklungen in einschlägigen Photoblog-Portalen (z.B. blimage.de oder coolphotoblogs), die so einen gewissen Übereifer bei einigen Kandidaten erkennen lassen, um jeden Preis in die Top Ten, am besten gleich auf Platz 1 zu kommen.
Wozu das? fragt man sich.
Es ist für so einen rasanten Aufstieg nötig, wie in der fotocommunity z.B. auch, nicht nur regelmäßig Content zu produzieren, sondern vor allem quasi ununterbrochen in anderen Blogs zu kommentieren, so ausdauernd und so gewinnend wie möglich. Denn dann kommen die andern Photoblogger auch alle brav zu mir, kommentieren nett bei mir und voten für mich dort, wo es was zu voten gibt. Am besten bitte ich sie noch per Mail um’s Voten und ums Verlinken.
Wieviel demnach die Listenplätze des einzelnen Blogs mit der Qualität der ausgestellten Bilder zu tun haben? Tja.

Vor nicht allzu langer Zeit geriet mein Blog photo.grapf aus Gründen, die ich nicht kenne, auf Platz 1 bei photoblogs.org – eine Entwicklung, die ich nicht beeinflussen konnte, die sehr wohl aber mich beeinflußte. Denn kaum war das passiert, wurde ich des explosionsartig anwachsenden Traffics auf meinen Seiten gewahr, fühlte ich mich nicht nur geschmeichelt, sondern vor allem unter Druck. Dem Druck, nun erstens sofort nur noch Premium-Content zu produzieren (man will sich ja nicht blamieren vor der Weltöffentlichkeit) – und beinahe mehr aber noch, diese ohne eigenes Zutun erworbene Position auszubauen und zu verteidigen. Plötzlich sieht man sich als Kämpfer wieder. Und zwar nicht etwa für bessere Bilder oder für eine bessere Welt, sondern nur für Erhalt und Ausbau der eigenen Position.
Zum Glück hielt das nicht an. Den Spitzenplatz auf photoblogs.org hielt ich sozusagen nur für Stunden und bin dort inzwischen längst wieder in der Versenkung verschwunden. Genauso wie eine gewissen Anzahl regelmäßiger Kommentatoren in meinem Blog, die eine Zeitlang täglich jedes meiner Bilder als super, Hammer, Wahnsinn titulierten (international ausgedrückt natürlich).

Naja, ist ja klar, daß ich jetzt so derbe enttäuscht von der Welt bin, daß ich diesen Ruhmesgenuß auch keinem andern gönne und ihn deswegen grundsätzlich verdamme und verurteile.

Ich möchte meine Photos nicht nur zeigen, um von anderen Photographen wahrgenommen und anerkannt zu werden, sondern weil ich mir von diesen vor allem konstruktiv-kritische Anmerkungen wünsche (nicht neu, noch weniger originell, ich weiß, aber immer noch aktuell). Ganz besonders aber wünsche ich mir auch ein breites Publikum aus nicht unbedingt in die Szene involvierten Leuten, die sich einfach gern meine Bilder angucken möchten und sich davon angesprochen fühlen. Rückmeldungen solcher Art, die ich hin und wieder meist per Mail bekomme, sind absolut wunderbar und lösen manchmal tagelang anhaltende Euphorie aus.

Also, Photographieren ist mein Hobby. Ich habe das Glück nicht davon leben zu müssen. Sondern das ganze soll Freude machen: meinen BesucherInnen und mir selba. Und deswegen muß ich mir mal gerade selba vor Augen führen, daß weniger auch hier eher mehr ist. Wir werden sehen.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. komma5

    hach… du sprichst mir aus der seele!!
    ich würde am liebsten deinen artikel per copy & paste in mein blog übernehmen! ;)
    ich bin in der sache so müde, dass mir nicht mal die lust bleibt, mich derart zu äussern…

  2. hildi

    Da fühle ich mich ja glatt schuldig. Oder waren hier andere gemeint? Oder spielst Du darauf an, dass ich mich habe zum Werkzeug solcher Genossen habe machen lassen (nehme auch freundschaftliche Ratschläge und direkte Kritik per Mail entgegen ;-))?

    Kommentare unter Deinen Bildern sind aber eigentlich immer sehr ehrlich gewesen und versuchten zum Teil auch konstruktiv zu sein.

    Das alles stimmt mich sehr nachdenklich. Guter Artikel, wenn man zum Nachdenken angeregt wird!

  3. tobyyy

    Joah *seufz*
    Hab zwar noch gar nicht soviel Ruhm (oder Rum) geerntet wie du, aber du sprichst mir dennoich aus der Seele. Interessanterweise hat sich meine gerade meine Photobloggrate in den letzten Tage ziemlich erniedrigt, nicht nur, weil mir die Muße fehlte, sondern weil ich auch nicht igrendwas beweisen will, sondern was zeigen. Und da ist auch mir die Qualität wichtiger als die Quantität, da ist die eine Bemerkung wichtig, die mir zeigt, dass da jemand tatsächlich etwas mit einem Bild anfangen konnte. Das ist mir lieber als 27 Lobhudler, die ich aber eh nicht habe.
    Mal sehn, wie es sich entwickelt gerade jetzt in den ferien, wenn ich endlich wieder Muße finden kann…

  4. CeKaDo

    Bravo! Es ist mir schon seit Langem äußerst verdächtig, wenn ich nur Lobeshymnen über mich lese. Da stimmt was nicht. Da halten sich diejenigen, die nicht voll des Lobes sind, leider zurück, um nicht zu verletzen.

    Wie sehr hungere ich dann nach Menschen, die mir offen schreiben „Och nö, das ist nichts für mich!“

    Denn das zeigt mir, daß ich lebendig publiziere und nicht nach der Nase (oder den Augen) des Groupietums.

  5. grapf

    Oh! :-)
    Soviel positive Resonanz auf so einen Artikel? Das ist ja schön! Hab lange drüber nachgedacht, wen ich damit nun wohl wieder vergrätzen werde, ob es mir das wert ist und was überhaupt dabei rumkommen könnte –

    @Hildi, du bist nicht gemeint! Obwohl ich Deinen Jubelruf zur Top20 noch gar nicht gelesen hatte. (Das ändert jetzt natürlich alles… ;-)

    @komma5, laß dich nicht entmutigen und bloß nicht ermüden! Wir können ja einfach versuchen, mal sowas wie eine Qualitätsoffensive zu starten.

    @tobyyy: genau. Was sollte man auch beweisen wollen! Das hab ich mich vor Jahren in der fc schon gefragt, als dort die ersten die 10000er-Marke bei den Kommentaren gesprengt hatten. So’n Blödsinn hoffte ich im Photobloggerwesen nicht wiederholt zu sehen.
    Aber – wie ich gestern gerade wieder auf einer Elternveranstaltung in der Schule hörte: nichts ist wichtiger als dazu gehören.

    @CeKaDo: die nicht voll des Lobes sind, loben dich erst recht an die Wand, denke ich manchmal. Frei nach der Devise: verschärfte Freundlichkeit ist die bessere Waffe. Wohingegen ein wenig konstruktive Kritik nicht nur viel aufwendiger für den Schreiber ist, sondern ja auch tatsächliches Interesse braucht und ein wenig Zeit und Kreativität.

    Bei alledem fasse ich mich auch an die eigene Nase und bekenne meine Sünden. Ich will auch dazu gehören. Ja, ich habe so manches Bild von so manchem Kollegen lieblos und achtlos gelobt, obwohl ich es langweilig oder gar schlecht fand. Einfach nur um nett zu sein und selbst gemocht zu werden.
    Bei einigen Bildern ist es mir hin und wieder gelungen, mich inhaltsreicher und damit meistens auch kritischer zu äußern. Aber je mehr Comments pro Zeiteinheit ich schaffen will, desto weniger kommt dabei rum.

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