Voll entgleist
Daß die Mehdornigkeit der deutschen (Verkehrs-)Politik nicht nur System hat, sondern System ist, das ist aus meiner Sicht der eigentliche Skandal. Man hat diesen Mann jahrelang quasi ungestört das größte und wichtigste staatseigene Transportunternehmen demontieren lassen, vor allem um die Bilanz schön aussehen zu lassen. Seine persönliche Art, vor allem seine Hartnäckigkeit gab einen prima Puffer ab, die den Unmut der Bahn-an-der-Börse-Verscherbelungsgegner auf sich zog und – größtenteils wirkungslos verpuffen ließ. Wäre nicht letzten Herbst unverhofft die Finanzkrise vom Himmel gefallen, wäre die deutsche Bahn sicher längst an der Börse. Ebenso sicher und scheinbar unwiderruflich, wie der Konzern DB-AG in den letzten Jahren Trassen stillgelegt, die Personaldecke ausgedünnt und zugleich munter Preise erhöht hat.
Welch zynische Ironie jedoch, daß der Mann ausgerechnet durch einen Datenskandal zu Fall gebracht wird, eine großangelegte Schnüffelaktion, die zwar ekelhafter kaum sein könnte, die andererseits doch eigentlich voll auf Regierungslinie liegen dürfte. Wie man sich von solchen Vorgängen innerhalb eines staatseigenen Unternehmens doch ohnehin kaum vorstellen kann, daß sie ohne staatliches Mitwissen und Beteiligung machbar wären. Ein Herr Schäuble hat mit seinem Sicherheitswahn den geistigen Boden dafür fruchtbar gemacht. Der mußte schließlich beackert werden.
Ich fürchte, an der Bahnpolitik wird sich auch nach der Ära Mehdorn nichts ändern, solange die Herren Betonkopf-Politiker nicht einen grundsätzlich anderen Kurs a in Sachen Verkehrspolitik und b in Sachen Umgang mit staatseigenem Tafelsilber einschlagen.
Mehrdorn war ein prima Feind, ein klasse Prellbock – er hat seine Sache gut gemacht. Bis hin zu seinem Abgang, der nun prima von den tatsächlichen Problemen ablenkt.