Corona und das Abitur

In wenigen Wochen sollen circa 16.500 SchülerInnen in Deutschland ihre Abiturprüfungen ablegen.

Warum eigentlich?!

Die Notwendigkeit dafür ist genauso wenig verständlich wie die Beharrlichkeit u.a. der Niedersächsischen Landesregierung die Prüfungen unter den gegebenen Bedingungen durchzusetzen.
Dabei wurde die erforderliche Leistung für das Abitur von den SchülerInnen bereits zu 2/3 erbracht. Die erwünschte Differenzierung der Leistungsstände ist längst ausreichend gegeben. Wohingegen die Abiturqualität, auf die die Regierung insistiert, ohnehin kaum vergleichbar sein wird, da die aktuelle Situation sich von der früherer Jahre grundlegend unterscheidet.
SchülerInnen, LehrerInnen und Schulbeschäftigte sollen ihre Gesundheit und die ihrer Familien durch die erhöhte Infektionsgefahr riskieren . Die anvisierten Sicherheits- und Hygienebedingungen sind bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinreichend geklärt und kritisch zu hinterfragen. Selbst wenn Klassen geteilt werden und nur 15 SchülerInnen statt 30 SchülerInnen in einem Raum zusammen kommen um ihre Abiturprüfungen zu schreiben, sind das immer noch 14 Menschen zu viel.

Sämtliche größeren Veranstaltungen wurden bereits bis zum 31.08.2020 verboten. Die Tatsache, dass der Einzelhandel wieder geöffnet hat und dort mehrere Menschen auf kleinem Raum zusammen kommen, stellt eine ganz andere Situation dar als die Abiturprüfungen. Denn in Geschäften kommen meist noch weniger Menschen zusammen als in Klassenräumen – und verbringen beim Einkaufen keine 4 bis 6 Stunden mit denselben Anderen in einem Raum. Im Übrigen gibt es für die Abiturprüfungen keine existenzielle Notwendigkeit, währne das Überleben des Einzelhandels tatsächlich davon abhängt, dass er wieder in Gang kommt.

Der Abiturjahrgang (sowie andere Abschlussklassen) 2020 muss mit der seit vielen Wochen anhaltenden Isolation leben und der stetigen Ungewissheit über das, was kommt. Er wurde von einem auf den anderen Tag aus dem Schulleben herausgerissen, musste auf alle positiven Begleitereignisse des Abiturs verzichten (wie z.B. Mottowoche, Abischerz, Abiball), konnte in vielen Fällen den abiturrelevanten Schulstoff nicht vollenden oder die angekündigte Wiederholung des Stoffes nicht fortsetzen. Er konnte sich auch nicht in privaten Lerngruppen auf die Prüfungen vorbereiten. Stattdessen sieht er sich einer Zukunft gegenüber, die noch nie so ungewiss war: Wann wird es wieder ein relativ „normales Leben geben“ – wie vor der Krise? Wird ein Studienanfang oder der Einstieg in eine Ausbildung dieses Jahr möglich sein? Wenn ja, wo? Was wird aus anderen Plänen wie FSJ oder sonstigen größeren Vorhaben, insbesondere im Ausland?

Wozu überhaupt Abitur-Prüfungen?

Die Vergleichbarkeit, die der niedersächsischen Landesregierung so wichtig ist, ist unter diesen Umständen sowieso nicht gegeben. Aber auch nicht notwendig! Denn das Hamburger-Abkommen von 1964 sichert jedem Absolventen die Anerkennung von Schulabschlüssen aller Bundesländer zu.

Dass es auch ohne Abiturprüfungen geht, sieht man an Frankreich, Niederlande, Belgien und Groß Britannien! Und dank der Abkommen der EU werden künftig auch Franzosen oder Belgier in Deutschland studieren dürfen.

Es darf nicht sein, dass SchülerInnen das gesundheitliche Schicksal ihrer Familie oder ihrer LehrerInnen aufgebürdet wird, nur damit sie sich den überkommenen Initiationsriten der Leistungsgesellschaft unterwerfen können.
Das Durchschnittabitur, dessen Note einfach aus den Zeugnisnoten der letzten Schuljahre gebildet wird, sollte ausreichen!

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